Alle anderen sind verantwortlich!

Im letzten Artikel („Drei Wörter für mehr Kontrolle in deinem Leben!“) ging es darum, wie wir Verantwortung für unser Leben und vor allem für unsere Emotionen und Reaktionen auf gewisse Umstände übernehmen können. Dadurch übernehmen wir die Kontrolle für unser Leben, was es erst so richtig lebenswert macht!

Wie kommt es jetzt zu dieser auf dem ersten Blick völlig widersprüchlichen Überschrift? Zum einen kann man natürlich lapidar sagen: keine Regel ohne Ausnahme! Aber hier lohnt sich eine etwas differenzierte Betrachtung:

Manchmal macht es durchaus Sinn, jemand anderen oder die Umstände für ein missglücktes Ergebnis verantwortlich zu machen. Denk nur an einen Job im Vertrieb – eine der für viele Menschen emotional schwierigste Aufgaben ist die so genannte Kalt-Akquise. Als Nicht-Vertriebler läuft mir schon bei dem Wort ein kalter Schauer den Rücken herunter – andere Menschen laufen bei dem Thema erst so richtig heiß 🙂

Jetzt stellen wir uns einmal vor, wir bekommen eine Telefonliste (oder entscheiden selbst, dass diese Kontakte vielleicht Interesse haben könnten) und müssen eine Nummer nach der anderen anrufen, um einen Termin für ein Verkaufsgespräch zu bekommen (echtes „Verkaufen“ über das Telefon ist in unseren Breiten gar nicht erlaubt, somit ist ein Termin schon der größtmögliche Erfolg).

Ich überwinde mich also (vielleicht mit Hilfe der 5-Sekunden-Regel) und rufe den ersten Kontakt an: es läutet, aber keiner hebt ab. Als reflektierter Mensch, der gelernt hat Verantwortung zu übernehmen, schießt mir sofort ein: vielleicht ist die Zeit ungünstig? Um diese Zeit ist er sicher beim Frühstück-, Mittag-, Abendessen, im Meeting, gerade unterwegs oder was auch immer mir einfällt. Soll ich also besser die weiteren Anrufe zu einem anderen Zeitpunkt einplanen?

Ich fasse mir aber ein Herz und rufe den zweiten Kontakt auf meiner Liste an. Es läutet wieder und – er hebt ab! Ich spüre wie meine Hände etwas wärmer werden – ich bin also etwas nervös, aber gerade so, dass ich das Gespräch gut führen kann. Eine gewisse Anspannung ist durchaus hilfreich, dadurch bleibe ich scharf und bei der Sache. Ich stelle mich und mein Angebot eloquent vor, würze das Ganze mit einer Prise Humor und lasse meinen Charme spielen. Mein Gesprächspartner reagiert durchaus freundlich. Ich habe das Gefühl, das wird jetzt was und unterbreite den Vorschlag eines persönlichen Treffens. Mein Gesprächspartner antwortet: Danke, kein Interesse. aufgelegt

Ufff, das war ein Schlag in die Magengrube! Da muss ich mich erst einmal hinsetzen und tief durchatmen. Ich bin es gewohnt, für das gescheiterte Gespräch Verantwortung zu übernehmen und beginne zu überlegen: Was ist schief gelaufen? War ich vielleicht zu locker – zu jovial? Ist mein Angebot überhaupt interessant? Ist vielleicht doch ein bisschen zu viel Nervosität durchgeklungen? Klingt meine Stimme zu hoch oder zu unsympathisch?

Ihr seht wo diese Geschichte hinführt – und ich bin erst beim zweiten Anruf gewesen. Spätestens beim fünften oder wenn ich besonders leidensfähig bin, beim zehnten Anruf, werfe ich das Handtuch, bin völlig frustriert und weiß, dass aus mir niemals ein guter Verkäufer wird!

Besser ist es in so einem Fall, die Verantwortung in den äußeren Umständen oder beim Gegenüber zu suchen: vielleicht hat schon einmal er schlechte Erfahrungen mit Verkäufern / mit meinem Produkt gemacht? Vielleicht hatte er sich gerade über seinen Computer geärgert? Vielleicht hat er einfach einen schlechten Tag. Was immer es ist, wir werden es wahrscheinlich nicht herausfinden und nach dem Gespräch ist es ohnehin zu spät. Also: Schulter zucken, Verantwortung abstreifen, Krone richten (oder in James Bond Manier – die Manschettenknöpfe) und die nächste Nummer wählen. Vertrieb ist ein Zahlenspiel: je mehr Telefonate, desto höher die Chance auf einen Abschluss.

Zusammenfassend macht es durchaus Sinn, nicht in jeder Situation die Verantwortung bei sich zu suchen! Stellt sich nur die Frage: Widerspricht sich das wirklich mit dem vorherigen Artikel? Ich denke nicht – schließlich geht es dort vor allem darum, Verantwortung für seine Emotionen zu übernehmen! Und in gewissen Situationen anderen die Schuld zuzuschieben, kann durchaus emotional befreiend wirken. Wie siehst du das?

Drei Wörter für mehr Kontrolle in deinem Leben!

Der Satz „Ich bin verantwortlich!“ hat die Kraft, dich aus jeder negativen Emotion zu befreien. Ehrlich und selbstkritisch betrachtet (oder auf wienerisch: samma sich ehrlich), sind wir tatsächlich für die meisten Ärgernisse unseres Lebens verantwortlich. Schlechte Ergebnisse einer Prüfung: natürlich bin ich verantwortlich, und nicht der „gemeine“ Prof – hätte ich mehr gelernt! Oder ich bin auf andere eifersüchtig, die ein schöneres Auto fahren, ein größeres Haus haben oder was auch immer: ich bin dafür verantwortlich, wie ich mein Leben gestalte und welche Prioritäten ich setze!

An alle geschätzten Zweifler unter euch Lesern (ja, ich zähle mich auch zu dieser Spezies und kann mich in diese Rolle besonders gut hinein versetzen): natürlich kommt es gelegentlich zu Situationen, die von außen, völlig unverschuldet wie Naturkatastrophen über uns hereinbrechen. In diesen Fällen gilt der Satz umso mehr: „Ich bin verantwortlich, wie ich mit dieser Situation umgehe!

In jedem Fall bin ich für die Emotionen verantwortlich, die ich in so einer Situation zulasse. Ob ich mich in Selbstmitleid ertränke oder eine neue Chance in der misslichen Lage suche oder sie schlichtweg akzeptiere, liegt alleine bei mir.

Sehen wir uns ein konkretes Beispiel an:

Angenommen, ich werde völlig unerwartet und ohne Vorwarnung gekündigt. Rechtlich völlig sauber – in Österreich muss eine Kündigung nicht einmal begründet werden. Emotional ist das dennoch eine Ausnahmesituation, die mich unbeschreiblich wütend macht. Welche Möglichkeiten habe ich nun:

  1. Ich kann die Wut noch im Kündigungsgespräch rauslassen und meinem Chef so richtig die Meinung sagen oder in Schockstarre verfallen und gar nichts sagen oder so schnell wie möglich den Raum und in weiterer Folge die Firma verlassen. Eine der drei Varianten (Angriff – Starre – Flucht) wird oftmals als Urinstinkt direkt durch unser limbisches System vorgegeben. Welche das ist, liegt an unserem Persönlichkeitstyp. Ob wir diesem Instinkt freien Lauf lassen, liegt wiederum in unserer Verantwortung.
  2. Jetzt sind wir aber so genannte „zivilisierte“ Wesen und können uns weitere handlungsorientierte Strategien überlegen: gibt es vielleicht doch eine rechtliche Anfechtungsmöglichkeit? Kann ich beim Arbeitgeber vielleicht auf bisheriges gutes Einvernehmen hinweisen und noch etwas rausholen (Urlaub auszahlen, ein gutes Dienstzeugnis,…)
  3. Oder ich komme mit mir auf rein emotionaler Ebene ins Reine: Ok, es ist passiert (auf die wienerische Übersetzung verzichte ich in diesem Fall, um den Blog jugendfrei zu halten). Überlegen, ob man das nächste Mal etwas anders gemacht hätte und Blick nach vorne!

Interessant ist die Unterscheidung zwischen den Varianten 2 und 3. In beiden Fällen übernehmen wir Verantwortung und werden die Situation damit besser bewältigen, als mit einer rein instinktgetriebenen Reaktion in Variante 1.

Variante 2 ist handlungsorientiert: „Ich achte auf meine Gesundheit und nehme deshalb keine zweite Nachspeise…“. Diese Variante eignet sich besonders für den Umgang mit zukunftsgerichteten Emotionen („sich Sorgen machen“ oder eigene Schuldgefühle). Wenn etwas schon geschehen ist, also bei vergangenheitsorientierten Emotionen (Ärger, Trauer, Bedauern) kommt oftmals nur Variante 3 in Frage:

Durchleben, abschließen und nach vorne blicken. In jedem Fall gilt:

„Ich bin verantwortlich!“

 

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